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1. Die deutschen Landschaften - S. 100

1896 - Trier : Lintz
100 Die deutschen Landschaften. der Bevölberung geredet. Die genannten Sprachen gliedern sich wieder in viele Mundarten, deren Entstehung die Naturbe- schaffenheit des Landes sehr begünstigte. Fast in jedem Thale hat sich infolge der Absonderung, in der die Bewohner zu leben gezwungen sind, eine eigenartige Sprache herausgebildet. Das Schweizerdeutsch wird zur a 11 e m a n n i s c h e n oder ober- rheinischen Mundart gerechnet. Ein Hauptkennzeichen der schweizerischen Sprache ist der eigentümliche Laut ch, der sehr tief in der Kehle gesprochen wird, so dass gleichsam ein ver- schlucktes a erklingt; als ch wird auch das anlautende h gesprochen, wenn es einem l, n oder r vorangeht. Durch das Vorherrschen rauher Hauch- und Zischlaute klingt zwar die Sprache der Schweizer etwas rauh; sie gewinnt jedoch durch eine grosse Modulation der Stimme viel Angenehmes. Eigenartig schön ist das Jodeln heim Gesänge. Der Schweizer besitzt einen kräftigen Körper, den namentlich der Alpenbewohner durch harte Arbeit ausdauernd und widerstandsfähig macht. Seine Kör per grosse ist im allgemeinen nicht bedeutend. Wahrscheinlich ist bei vielen Bewohnern der kleine Wuchs der übermässigen Körperanstrengung in der Jugend zuzuschreiben; bei manchen mag aber auch eine ungenügende oder einseitige Ernährung auf das Wachstum hemmend einwirken. Wie dem Schweizervolke im allgemeinen ein schöner Wuchs abgeht, so können wir bei ihm auch nicht von einer besondern Schönheit der Gesichtszüge reden. Die derben Gesichtszüge der Frauen fallen umso mehr auf, als diese teils durch den Einfluss des rau- hen Klimas, teils durch übermässiges Arbeiten früh ihre Jugend- frische einbüssen. Die Schweizer waren früher zum weitaus grössten Teile ein Hirtenvolk, und auch heute bildet die Viehwirtschaft ihre Haupt- beschäftigung. Ihre Vorfahren waren gewohnt, in ihren Bergen frei und unabhängig von einander und von andern ihrer Beschäf- tigung obzuliegen. Das grosse Freiheits- und Unabhängig- keitsgefühl, das sich unter solchen Lebensverhältnissen aus- bilden musste, ist auch heute noch ein Hauptzug des schweizeri- schen Volksgeistes. Mehrmals haben die Schweizer in der Ge- schichte ihren Mut und ihre Tapferkeit, Eigenschaften, die der Verkehr mit einer gefahrdrohenden Natur in ihnen zur Ent- wicklung bringt, bewiesen. Mit dem lebhaften Freiheitsgefühle, dem Mute und der Tapferkeit hängt die Vorliebe für körperliche Ue bung en, besonders für das Waffenhandwerk zusammen; letztere Vorliebe mag in früherer Zeit bei vielen auch durch den leidenschaftlichen Hang zur Jagd, namentlich zur Gemsjagd, genährt worden sein. Einerseits der Kampf mit den Naturgewalten, ander- seits der harte Lebenskampf, den die an Zahl immer stärker wer- dende Bevölkerung führen musste, um dem Gebirgsboden das zum Leben Nötige abzuringen, haben die geistigen Kräfte des Schweizers gestählt und seinen Erfind u n g s - und Unternehmungsgeist ausgebildet. Den eigentlichen Alpenbewohnern bot ferner die lange Winterruhe die Zeit und die Anregung, sich in allerlei Handfer-

2. Die deutschen Landschaften - S. 101

1896 - Trier : Lintz
Die Schweizer Hochebene. 101 tigkeiten auszubilden. Dass der im engen Verkehr mit einer so grossartigen und an Naturschönheiten so reichen Natur auf- wachsende Schweizer von grosser Liebe zu seiner Heimat beseelt ist, erscheint selbstverständlich; desgleichen erklären sich aus dem Lebensverhältnisse der Bewohner zu einer gefahrdrohen- den Natur, aus dem das Gefühl der Abhängigkeit entspringen muss, und aus dem Lebensverhältnisse der Bewohner zu einander, das die gegenseitige Hilfeleistung bedingt, zwei andere, das Schweizer- volk ehrende Tugenden, nämlich Frömmigkeit und Mildthä- tigkeit. Endlich verdient an dem Schweizer noch das freund- liche und gastliche Entgegenkommen, das er gegen Fremde zeigt, gerühmt zu werden. Wer als Besucher des schönen Schweizerlandes die den schlechten gegenüber bedeutend vorwie- genden guten Eigenschaften seiner Bewohner kennen gelernt hat, kann nicht heimkehren, ohne diesem in seinen Bergen abgeschlos- senen Volke auch für die Zukunft das bisherige Glück und die bisherige Zufriedenheit in den meist bescheidenen Lebens- verhältnissen zu wünschen. 3. Die Betrachtung der staatlichen Verhält- nisse in der Landschaft. a. Die staatliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Gebiete. Die Gebiete der Schweizer Hochebene sind zu dem Staaten- verband e der Schweiz vereinigt. Dieses Land gehörte früher zu Deutschland. Die Anerkennung des Schweizer- bundes als selbständiger Staat erfolgte im Jahre 1648 beim Friedensschlüsse des 30jährigen Krieges. Die Grenzen der Schweiz folgen fast überall der natür- lichen Abgrenzung der Landschaft. Im Westen zieht sich die Landesgrenze über den Jura hin; im Norden wird sie durch den Rhein lauf und den Bodensee gebildet, und nur ein kleiner Bezirk um Schaffhausen reicht über den erstem hinaus, während umgekehrt die am schweizerischen Ufer jenes Sees gelegene Stadt Konstanz zum deutschen Reiche gehört; im Osten zieht sie sich wieder eine Strecke weit am Rheine vorbei, im Süden aber reicht sie stellenweise sehr weit über das Rhein-Rhônethal hinaus, und erst am Genfer See tritt sie wieder in den Rahmen der Landschaft zurück. Die benachbarten Staaten sind im Westen Frankreich, im Norden das deutsche Reich, im Osten Oesterreich und im Süden Italien. Die Schweiz nimmt eine Fläche von 41419 qkm ein und

3. Die deutschen Landschaften - S. 126

1896 - Trier : Lintz
126 Die deutschen Landschaften. Das oberdeutsche Bauernhaus, wie es in den baye- rischen Alpen (und im Schwarzwalde) vorkommt, hat in seiner äussern Erscheinung noch etwas Aehnlichkeit mit dem Schweizer Hause ; es weist aber nicht den reichen Holzschmuck auf und unter- scheidet sich auch durch seine innere Einrichtung. Scheune und Stallungen sind mit dem Wohnräume immer unter einem Dache vereinigt. Letztere liegen an der vorderen Schmalseite, erstere nimmt den hintern Raum ein, dazwischen befinden sich die Stal- lungen. Gewöhnlich ist das Gebäude auf einem nach hinten an- steigenden Platze errichtet, so dass die Einfahrt zur Scheune höher liegt als der Eingang zu den Wohnräumen. Die Landschaft ist von zwei Volksstämmen bewohnt. Die Bewohner des grössern östlichen Teiles gehören dem bayerischen, die des kleinern westlichen dem schwäbischen Volkstamme an. Der Lech, dessen sumpfige Ufer dem Verkehr grosse Schwie- rigkeiten entgegensetzte, bildet zwischen beiden die Völker- und Sprachgrenze. Während auf der Westseite dieses Flusses, im schwäbischen Lande, sehr viele Ortsnamen, wie Memmingen, Dillingen, Sigmaringen, Tuttlingen u. s. w. auf „in g en" enden, kommt diese Endung auf seiner Ostseite, im bayerischen Lande, nicht mehr vor. Die bayerische Mundart, mit der auch die öster- reichische und die osttirolische Mundart nahe verwandt sind, hat einen breiten, näselnden Ausdruck. Der Bewohner der Ebene spricht langsam, der des Gebirges um so schneller. Viele Endlaute werden verschluckt, die Zischlaute aber scharf gesprochen ; sehr hart klingt das ch der Gebirgsbewohner. (Ueber die schwäb. Mundart s. folg. Landsch.) Am Anfange der Wörter lauten sp = schp, st = seht, g—jc. Ausgeworfen oder verschluckt werden namentlich die Mitlaute l, n und r. Eigentümlich sind der bayerischen Mundart auch die Doppellaute oa, ea und ua für ei, i und u. Der Bayer hat einen mittelgrossen, kräftigen und stämmigen Körberbau. Seine lebhafte Gesichtsfarbe weist schon auf sein schnell aufbrausendes Wesen hin. Von dem reich- lichen Biergenusse abgesehen, ist die Lebensweise der Bewohner einfach. Ihre Nahrung besteht vorwiegend aus Mehl-, Milch- und Schmalzspeisen; Fleisch ist für die meisten eine Festtagsspeise. Im Verkehr mit den Bewohnern lernen wir an diesen ähn- liche Volkseigenschaften wie beim Schweizer kennen. Besonders gilt dies von den bayerischen Alpenbewohnern, die ebenfalls M u t und Unerschrockenheit und ein grosses Freiheitsgefühl mit Anhänglichkeit an die Hei m at und frommem Sinn (Passionspiele von Obberammergau) verbinden. Manche Eigen- schaften sind bei den Bayern vielleicht etwas zu stark ausgegrägt. Der Mut thut sich oft in Rauflust kund, das Unabhängigkeits- gefühl steigert sich bei dem reichen Bauern, der wie ein unbe- schränkter Gebieter auf seinem von den Vätern ererbten Gute sitzt, zum unbändigen Stolze, die Anhänglichkeit an heimatliche Sitten

4. Die Landschaften Europas - S. VII

1900 - Trier : Lintz
Vorwort. Vii Fällen wenigstens, infolge ihrer trefflichen Anpassung, für das fremde Volk eine Kraft, einen hohen Wert bedeutet. So tadeln und nörgeln wir, anstatt die Augen weit, recht weit zu öffnen, zu schauen und zulernen. Was nach einer strengen Selbst- prüfung im Lichte auch des Fremden und anders Ge- arteten von den Einrichtungen der Heimat, des Vater- landes die Probe besteht, das darf dann doppelt unser Stolz sein. Eine Vaterlandsliebe aber, die, vom Selbsttruge frei, mit der Wärme des Empfindens auch die Klarheit des Denkens und des Urteils verbindet, ist für das eigene Volk ein heller Leit- stern durch das Dunkel des Völkerschicksals, ein Schutz in glück- lichen, ein kluger Ratgeber in schlimmen Zeiten. Die erdkundliche Wissenschaft und der erdkundliche Unterricht sind mit berufen, eine solche Vaterlandsliebe zu begründen, indem sie den Gesichts- kreis des Volkes erweitern und die enge Kirchturmsweisheit zu einer weitblickenden Weltkenntnis vertiefen. Mit diesem Schluss- worte übergebe ich den vorliegenden Ii. Band des Lehrbuches allen Lehrern und Freunden der Erd- und Völkerkunde, zugleich um eine wohlwollende und nachsichtige Prüfung bittend. Bonn, Herbstferien 1900. Heinrich Kerp.

5. Die Landschaften Europas - S. 164

1900 - Trier : Lintz
164 Das Französische Mittelgebirge und Flachland. und zählt 6000 E. Sie steht unter der Schutzherrschaft Frankreichs und des spanischen Bischofs von Urgel. Das Fürstentum Monaco, an der Riviera gelegen, ist eine unbe- schränkte, erbliche Monarchie und hat auf 21,6 qkm 15000 E. Mit Frankreich steht es im Zollverbande. !!. Geistige Kultur: Geistesleben, Bildungswesen und Religion. Ein sonniger Heimathimmel, eine fruchtbare Heimaterde und eine grosse Geschichte, die trotz mancher Unglückszeiten doch reich ist an glücklichen Wendungen, haben in dem französischen Volke manche vorteilhafte und unvorteilhafte Eigenschaf- ten zur Entwicklung gelangen lassen. Der Franzose zeichnet sich durch seinen lebhaften Geist, durch seine frohe Lebens- lust, durch seine angenehmen, gewandten Verkehrsformen und durch seine glühende Vaterlandsliebe aus. Sein Volk ist ihm die grande nation (— grosse Nation), deren gloire (=Ruhm und Ehre, besonders Kriegsruhm) die aller andern Völker weit überstrahlt. Jede dieser Eigenschaften, so wertvoll sie an sich sind, kann leicht ausarten und sich zu einer schädlichen Eigen- schaft entwickeln. Die Lebhaftigkeit des Geistes, die eine so schöne, herrliche Sprache aus dem Munde hervorsprudeln lässt, und die so grosse Leistungen auf dem Gebiete der Litteratur, der Kunst und Wissenschaft zeitigte, führt, so- bald es an der nötigen Tiefe des Denkens fehlt, zu einem wankel- mütigen und wetterwendischen Sinne, den schon Cäsar an den Galliern tadelt. Die frohe Lebenslust, die das Leben ziert und verschönert, läuft Gefahr, sich zu einem schädlichen Leicht- sinne zu entwickeln, der am Lebensmark der Familie und des Staates nur noch zehrt. Der feine Sinn für schöne Umgangs- und Lebensformen, der den Umgang mit Franzosen so überaus angenehm gestaltet, treibt im Leben häufig auch die schädliche Blüte der Eitelkeit. Am schlimmsten wirkt diese, wenn sie sich mit patriotischen Ideen verkörpert, wenn sie den Blick trübt für das Erkennen der eigenen Fehler und verschliesst für das Erkennen der Vorzüge fremder Völker. Das übermässige Selbst- lob, das immer aus dem Hurrah-Patriotismus hervorgeht, trägt an manchen Schicksalsschlägen, die das französische Volk getroffen hat, wenigstens einen grossen Teil der Schuld. Die erwähnten Eigenschaften haften dem französischen Volke nicli't gleichmässig an. Zwischen den französischen Völkerschaften bestanden in der Vergangenheit viel grössere Unterschiede, als sie zwischen den deutschen Volksstämmen je hervorgetreten sind. Der Gegensatz zwischen Süd und Nord war in Frankreich stärker als in Deutsch-

6. Die Landschaften Europas - S. 446

1900 - Trier : Lintz
446 Die Pyrenäen-Halbinsel. Ii. Geistige Kultur: Geistesleben, Bildungswesen und Religion. Auf die geistige Eigenart der Bewohner der Pyrenäen- Halbinsel wirkten die Natur des Landes, die Mischung der Völker und der Gang und die Ereignisse der Geschichte ein. Das warme Klima schuf besonders beim Südspanier, desgleichen beim Katalonier, das nämliche heissbllitige Tem- perament wie beim Süditaliener. Der Bewohner des Tafel- landes ist kälter. Umso mehr prägt sich bei ihm der Stolz aus, das Erbgut der grossen Geschichte, die sich an den Namen Castilien knüpft, das Ergebnis der Herrscherrolle, die der Spanier über die Völker der neuen Welt spielen konnte, und der Fülle des Reichtums, die ihm ohne Arbeit aus jener zufloss. Der lange Kampf mit den Arabern, der zugleich ein Kampf des Kreuzes gegen den Halbmond war, erzeugte den reli- giösen Fanatismus, der noch heute in Spanien die schlimmsten Blüten treibt. Vom Arabertum, das so blutig bekämpft wurde, nahm das spanische Volk auch manche geistige Züge an, so den muhamedanischen Glauben an das Fatum, an' ein dunkles Verhängnis. Dieser Glaube ist so stark ausgebildet, dass selbst ein Minister Ingenieuren, die Vorschläge über die Schiffbarmachung der spanischen Ströme machten, die Antwort geben konnte: „Hätte es Gott so gewollt, so würden die Schiffe auch ohne unser Zuthun schiffbar sein". Die drei genannten Grundübel der spani- schen Volksseele sind die Hauptursache des geringen geistigen Fortschritts, und da ein reges Geistesleben zugleich die Hauptstütze des wirtschaftlichen Lebens ist, auch der wach- senden Armut trotz der reichen Hilfsmittel des Landes. Der hochfahrende Stolz weckt die Arbeitsscheu, die wieder leicht zur Unredlichkeit führt, und lässt ferner die vorbildlichen Lei- stungen anderer Völker unbeachtet. Der religiöse Fana- tismus unterstützt diesen Stolz und die Geringschätzung des viel höher stehenden Fremden und erhält selbst wieder einen schlimmen Bundesgenossen an dem Fatalismus, der die Selbstzufrieden- heit predigt und den letzten Rest des geistigen Lebens zu ersticken droht. Diese geistige Eigenart ist am schärfsten auf dem Tafel- lande, am wenigsten im Katalonier, der mehr dem Südfranzosen ähnelt, ausgeprägt, schwächer auch im Portugiesen, dessen koloniale Thätigkeit nicht so einseitig im Herrschen bestand. Vergessen wir jedoch auch nicht die guten Eigenschaften der spanischen und portugiesischen Volksseele. Der Stolz zeigt auch seine ritterlichen Eigenschaften und macht den Verkehr zu einem sehr angenehmen. Die Ritterlichkeit des Spaniers geht so weit, dass er z. B. auf Reisen von seinen Vorräten nicht eher etwas geniesst, bis er davon den Mitreisenden angeboten hat. Auch dem

7. Die Landschaften Europas - S. 46

1900 - Trier : Lintz
46 Das Hochgebirge der Alpen. und jedes Urteil muss sich unter die Vergleichsgegenstände dieser engen Welt beugen. Infolgedessen finden wir bei den Alpenbe- wohnern im allgemeinen einen beschränkten geistigen Blick, ein starres Festhalten am Alten, neben dem ja niemals etwas Besseres çrstrahlt, ein Festhalten sowohl an den überlieferten Einrichtungen, Sitten und Gebräuchen, als auch an den in der Volksseele wurzelnden Anschauungen. In der Erhaltung der Volkstrachten (s. letzten Abschnitt), in denen fast jedes Thal irgend eine Eigenart bewahrte, in dem Feiern alter Volksfeste, die ihren Ursprung oft in den fernsten Zeiten haben, in der Pflege der lokalen undnationalensage undgeschichte, in der treuen Anhänglichkeit an Thron und Altar giebt sich dieser Geist zu erkennen. Er hat als Volksgeist seine Licht- und seine Schattenseiten. Das Wirtschaftsleben hat einen gesunden Kern und bewegt sich in festgefügtem Rahmen, macht aber von neuen technischen Hilfsmitteln und neuen Methoden, die einen fördernden Einfluss ausüben könnten, nur einen be- schränkten Gebrauch; die Heimat- und Vaterlandsliebe ist eine warme und in Stunden der Gefahr schwingt sie sich, wie noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts der Aufstand der Tiroler gegen die französischen Eroberer bewiesen hat, zu Heldenthaten auf, aber politische Strömungen, die der Zeitgeist hervorbrachte, werden, vielleicht zum Schaden des Volkswohls, zurückgedrängt; das ruhige und gleic h m ässigef ortschreiten der mensch- lichen Kultur in den engen Alpenthälern bewahrt vor manchen Verirrungen des Menschengeistes und des menschlichen Herzens, aber infolge des Rückstandes in der Kultur, der sich ergeben muss, brechen sich die grossen Wogen der Kultur an dem gewaltigen Hochgebirge der Alpen wie die Wogen des Meeres an den Fels- klippen der Küste: endlich die Religion, der der Umgang mit einer grossartigen und die Abhängigkeit von einer feindseligen Natur die Herzen der Alpenbewohner weit öffnete, dringt tief in das Menschengemüt ein und wirkt veredelnd auf dasselbe, aber sie ist, weil der Vergleich mit anderm Menschenhandeln fehlt, auch nicht frei vom Geist des Fanatismus und der Unduld- samkeit. Die Alpen bildeten gegen die Verbreitung der menschlichen Kultur ein gewaltiges, hemmendes Bollwerk. Die Kulturwoge, die im Altertum von den Mittel- meerländern ausging, wurde auf ihrem Wege nach N abgelenkt nach W, und erst von Westeuropa flutete sie weiter nach (). So haben die Alpen das Geistesleben der europäischen Völker stark beeinflusst und nicht bloss deren räumliche, sondern auch deren geistige Trennung bewirkt, bezw. vergrössert. Durch den bedeutenden Touristenverkehr, der sich in neuerer Zeit in manchen Alpenthälern entfaltet, wird diese Kulturschranke wohl etwas gelockert, aber doch nicht in dem Masse beseitigt, als man gewöhnlich annimmt. Die Bewohner der meisten Alpenthäler halten trotz des durchziehenden Fremdenstroms ihre tief in der

8. Die Landschaften Europas - S. 96

1900 - Trier : Lintz
96 Das Karpatenland und die Ungarische Tiefebene. höfliches und freundliches Wesen, das ihm eine alte und hohe Stufe der Gesittung aufdrückte, als auch durch seinen leb- haften, besonders gern dem Schönen und Schöngeistigen zuge- wandten Sinn aus. Die Zähigkeit des Norddeutschen geht ihm vielleicht vielfach ab. Auf äussere Formen legt er ein grosses Gewicht, was im gesellschaftlichen Leben überall hervortritt. Im Verkehr bekundet er viel Gemüt. Durch nichts wird dieses aber mehr bekundet, als durch die treue, gar nicht zu erschütternde Anhänglichkeit an das Kaiserhaus, dessen Glanz in der Ge- schichte der Stolz eines jeden ist. Nächst den Deutschen sind die Ungarn das wichtigste Kul- turvolk der Doppelmonarchie. Sie sind ein Volk von scharf aus- geprägter Nationalität, dessen ganzes Denken und Empfinden wie aus einem Guss ist. Der Geist seiner Geschichte ist in ihm noch wach und noch wenig beeinflusst durch Kulturanschauungen anderer Völker. Der Umstand, dass das Reitervolk der Ungarn in Europa eine neue Heimat fand, die der alten, asiatischen ähn- lich war und die Fortsetzung der gewohnten Lebensweise gestattete, war der Erhaltung der urwüchsigen Stammeseigenschaften günstig. Ein Hauptzug der ungarischen Volksseele ist die feurige, glühende Vaterlandsliebe. Vielleicht nennt man diese rich- tiger Stammesliebe, Liebe zum Volke. Sie lässt sich histo- risch erklären aus dem Bewusstsein der Schicksalsgemeinschaft, das einem umherstreichenden, auf der Suche nach neuen Wohn- sitzen begriffenen Reitervolk sehr deutlich eingeprägt werden musste. Die tausend Jahre, die seit der Besitzergreifung der Donautief- ebene verflossen sind, haben nicht hingereicht, dieses Bewusstsein zu verdunkeln, umso weniger, als die Ungarn, wie wir bei der Besprechung der Siedelungsverhältnisse gesehen haben, an die Stelle der frühem beweglichen Zeltdörfer feste von riesigem Um- fange setzten, in denen sie fast wie in der früheren Horden- oder Stammesgemeinschaft weiter lebten. Ein anderer Zug der ungari- schen Volksseele ist ein ritterlicher Stolz, der im ganzen öffentlichen Leben hervortritt. Er ist eine Eigenschaft, die einem Reitervolk nicht fehlen kann, und die selbst dem gewöhnlichen Manne nicht abgeht. Dieser erstrebt wohl die geachtete Stellung eines Pferdehirten, aber nimmer würde er die verachtete eines Schaf- oder Schweinehirten annehmen, die er dem Rumänen oder Walachen überlässt. Den gebildeten Ungarn macht seine Ritter- lichkeit zu einem äusserst angenehmen Gesellschafter. Alis der Vaterlandsliebe und dem nationalen Stolze ging die Liebe zur Muttersprache und die Anhänglichkeit an alte Sitten und Gebräuche hervor. Über die Stellung der ungarischen Sprache unter den übrigen Sprachen der Erdenvölker, insbesondere der europäischen Völker ist erst in neuester Zeit, vor wenigen Jahrzehnten, das Dunkel gelichtet worden. Durch sprachvergleichende Studien wurde festgestellt, dass die ungarische Sprache mit der einheimischen nahe und mit der türkischen entfernter verwandt ist, und dass sie mit diesen zur'finnisch-ugrisc hen Abteilung der grossen ural-

9. Die Landschaften Europas - S. 72

1900 - Trier : Lintz
72 Das Karpatenland und die Ungarische Tiefebene. wenn wir die Gründe für die verschiedenartige Entwicklung der menschlichen Kultur in der Grossen Ungarischen Tiefebene, in dem Siebenbürgischen Hochlande und in den beide um- gebenden Randgebirgen, den Karpaten, feststellen. Die Grosse Ungarische Tiefebene. Beginnen wir mit der -Betrachtung der Kultur Verhältnisse der Grossen Ungari- schen Tiefebene, von dessen Landschaftsbilde wir soeben unseren Blick wandten. Die natürlichen Verhältnisse des ebenen Landes laden besonders zum Betriebe der Viehzucht und des Ackerbaus ein, welche die Haupterwerbszweige der Bewohner bilden. Der Viehzucht stehen ausgedehnte Grasfluren zur Verfügung. Der wichtigste Zweig derselben ist die Pferdezucht. Der Pferdereichtum Ungarns. Dem Besucher Ungarns fallen besonders die grossen Pferde- herden auf, die besonders die Steppengebiete in munterem Jagen durchziehen. Der aussergewöhnlich starke Betrieb der Pferde- zucht beruht auf geschichtlichen und auf natürlichen Grün- den. Erstere haften sich an das Volk, letztere an das Land. Als die Ungarn, die seit einem Jahrtausend die Landschaft als vorherrschender Volksstamm bewohnen, aus den fernen Steppen Asiens einwanderten, waren sie ein wildes Reitervolk. Das feurige Ross war ihr Stolz, ihr Alles. In der alten Heimat hatte es ihren ganzen Reichtum gebildet; die Milch der Stute war ihre Nahrung. Kur mit den kleinen ausdauernden Steppenpferden hatten sie die weite Wanderung nach dem Westen, nach Europas frucht- baren Ackergefilden unternehmen und ausführen können, nur als flinke und mutige Reiter hatten sie sich zu diesen den Weg bahnen und die europäischen Völkerschaften, die sich ihnen meistens zu Fuss entgegenstellen mussten, zu besiegen vermocht. Hieraus er- klärt sich wohl zur Genüge, warum die Ungarn, nachdem sie end- lich in feste Wohnsitze gelangt waren, vor allem Pferdezücli- ter blieben. Sie blieben es einerseits aus Anhänglichkeit an eine gewohnte und liebgewonnene Beschäftigung und Lebensweise und anderseits, um nicht eine im Siege erprobte Kampfweise aufgeben zu müssen. Diese historischen Gründe für den starken Betrieb der Pferde- zucht würden aber längst wirkungslos geworden sein, wenn sie nicht von natürlichen Gründen, die in der Lebensnatur der Grossen Ungarischen Tiefebene liegen, gestützt worden wären. Die Ungarn fanden in letzterer eine neue Heimat, die mit* der alten nicht wenig Ähnlichkeit zeigte, und die Beibehaltung der alten Lebensweise gestattete. Auf den Pus s ten (= öde Flächen, slaw. = wüst) an der Theiss und Donau konnte der Ungar ebenso frei seine Rosse tummeln, wie auf den Steppen Asiens. Das harte und kurze Gras, das dem Boden entspriesst, war für das Rind, dessen Zucht die umwohnenden Völkerschaften, besonders die Be- wohner der Alpenthäler bevorzugten, ein schlechtes Futter. Auch

10. Die Landschaften Europas - S. 168

1900 - Trier : Lintz
168 Das Französische Mittelgebirge und Flachland. vollständig gesunde Wurzeln seiner Kraft, und es hat noch in jüngster Zeit so grosse Erfolge erzielt — nur an die Schaffung eines grossen Kolonialreichs und an die Veran- staltung der grossartigen Pariser Weltausstellungen sei erinnert —, dass wir es auch im 20. Jahrhundert als eines der bedeutungsvollsten Kulturvölker auf der grossen Welt- bühne begrüssen müssen. 13. Kultureigentümlichkeiten und Volksleben. Man ist in Deutschland nur zu leicht geneigt, das Pariser Leben und den Pariser Glanz und Luxus als allgemein gültiges Beispiel für das französische Lebensbild gelten zu lassen. Nichts ist verkehrter als dies. Auch die einzelnen Gegenden Frank- reichs haben ihre Eigenarten in Sitten und Gebräuchen, die Volksanschauungen sind sehr verschieden, aber Einfach- heit und Lebensernst sind Grundzüge, die in den meisten Gegenden noch genügend das Volksleben beherrschen. Bei einem raschen Fluge durch Frankreichs Länderräume werden wir staunen, wie viel urwüchsiges und gesundes Leben wir überall noch, allerdings bei mancher Schwäche, antreffen. Schweifen wir zuerst hinüber nach Nordfrankreich, zu Flanderns reichen, schönen und reinlichen Städten mit den arbeitsamen und würdigen Bewohnern. Hier herrscht in den Wochentagen der Ernst des Lebens, des Sonntags aber eine ruhige, nicht ausgelassene Heiterkeit. Überall ist Wohlstand zu erkennen. In Flandern ist der Wunsch des französischen Königs Heinrich Iv. in Erfüllung gegangen, dass am Sonntage jeder Bürger sein Huhu im Topfe habe. Unter der Bevölkerung erkennen wir zwei Rassen, eine helle germanische, die den Vlamen verwandt ist, und eine mehr dunkle g all or o manische. Auch durch manche Sitten er- innert sie weniger an französisches als an germanisches Wesen. Die Vorliebe für starkes Rauchen ist z. B. echt holländisch, die Vorliebe für Bier echt deutsch. Auch in der benachbarten Normandie steckt noch ein gutes Stück Germanentum, obschon die einstigen Normannen schnell romanisiert wurden. Einen starken skandinavischen An- strich haben besonders die Fischerdörfer ander normannischen Küste bewahrt. Beim Anblicke der grossen, starkgebauten Fischer, die von ihren Weibern bei fast allen Arbeiten unter- stützt werden, glauben wir uns auf die iriesischen Inseln versetzt. Sie haben dieselbe Tracht wie die dortigen Fischer. Sie tragen einen dicken, wollenen, lang herabreichenden Überrock, lange See- stiefel, die fast die ganze Länge der Beine umschliessen, und eine weite leinene Überhose, die über die Stiefel angezogen wird und bis zu den Knieen reicht. Die Hütten zeichnen sich nicht
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